Den großen
St.-Martinszug gibt es im Hohenlimburg bereits seit 1960. Die untenstehende
Hohenlimburger Martinsgeschichte wird seit 2003 jeweils zum 11. November
(manchmal auch 10. Nov.) am großen Feuer verlesen. Dazu wird die Mantelteilung
- uns allen zum Vorbild – nachgespielt. Seit 2007 tragen Grundschulkinder, die
den Lesewettbewerb der Hohenlimburger Schlossspiele gewonnen haben, diese
Geschichte vor: Immerhin vor zumeist weit über tausend Menschen aller Konfession,
Religion und Nation. Unsere Martinsgeschichte hält sich als eine der ersten
möglichst nah an den Geschehnissen einst um 334 in Amiens (Frankreich). Das,
was damals geschah, ist spannend genug, um es nicht noch weiter ausschmücken zu
müssen.
Liebe Freunde,
versetzt Euch einmal in eine andere Zeit: Lange, lange vor heute. Wir befinden
uns in Amiens, einer Soldatenstadt der Weltmacht Rom. Dort war Martinus
stationiert. Er war mit seinen 17 jungen Jahren schon ein berittener Offizier.
Martin gehörte sogar zur berittenen Leibgarde des römischen Kaisers. Welch eine
Ehre für den jungen Mann! Und manches Mal kam Martin vom Einsatz zurück in die
Stadt und wurde mit seinen Leuten durch einen Fackelzug geehrt - fast so wie
heute hier in Hohenlimburg.
In dieser Nacht, es war sehr kalt, ritt Martin mit seinen Männern wieder einmal
durch das Stadttor von Amiens. Martin fror sehr, obwohl er unter seiner Rüstung
warm angezogen war und einen großen Soldaten-Mantel anhatte. Aber in ein paar
Minuten würde er ja zu Hause im Lager an einem warmen Feuer sitzen. Plötzlich
machte Martin eine Entdeckung. Da! Am Stadttor saß doch tatsächlich ein
Bettler! Ja, arme Leute gab es hier schon immer. Doch dieser Bettler sah zum
Gotterbarmen aus: Er fror schrecklich. Hatte nur ein paar Lumpen an. Schon
lange saß der arme Mann hier. Alle sind vorbeigegangen, niemand hat ihm
geholfen. Gleich würde Martin mit seinem Pferd an ihm vorbeireiten. Er
überlegte: "Ich könnte dem Mann ein paar Münzen zuwerfen, und die Sache
wäre für mich erledigt." Schon eine solche Tat wäre erstaunlich für einen
Soldaten gewesen. Man gab nicht gern von seinem Lohn an bettelnde Leute. Martin
aber wusste: Der Arme würde das Geld vielleicht gar nicht mehr verwenden
können: Die Nacht war ja viel zu kalt, der Bettler würde vielleicht erfrieren.
Als Martin den Bettler am Stadttor erreicht, hält er das Pferd an.
Und Martin
hat eine wunderbare Idee: Er nimmt sein Schwert und hebt es hoch in die Luft.
Der Bettler denkt: "Was will dieser Offizier von mir, ich tu doch niemandem
etwas zu Leide. Hoffentlich wird er mich Ärmsten nicht auch noch
umbringen." Doch Martin nimmt seinen Mantel-Umhang von den Schultern - und
zerteilt ihn mit dem Schwert.
Die eine Hälfte wirft er dem Bettler zu, die andere legt er sich wieder um die
Schultern. Dem Bettler und auch den Kameraden von Martin bleibt die Spucke weg!
So etwas hatten sie noch nicht erlebt! Ein Offizier des Kaisers zerschneidet in
aller Öffentlichkeit seinen Mantel! Und teilt ihn mit einem einfachen Bettler!
Und wie der gerade noch so stolze Soldat jetzt komisch aussieht, mit seinem
halben Mantel! Einfach lächerlich! Martins Chef würde deswegen bestimmt
schimpfen. Und zu Hause in der Kaserne würde er deswegen garantiert ausgelacht.
Martin aber fand seine Tat richtig gut und ritt froh und selbstbewusst
heim. In der Nacht jedoch, da hatte Martin einen seltsamen Traum. Er
träumte von Jesus, der hatte den halben Soldatenmantel an und sagte zu ihm:
"Martin! Heute Nacht hast Du mich mit Deinem Mantel gekleidet."
Martin war zwar nicht getauft, aber er hatte schon viel von dem Christus
gehört und oft über seine wunderbare Botschaft nachgedacht. Am nächsten Morgen
erinnerte sich Martin an diesen Traum, in dem Jesus sagte: "Heute Nacht
hast Du mich mit Deinem Mantel gekleidet." Da war Martin sehr, sehr
glücklich. Denn er wusste: Heute Nacht ist mir der Christus begegnet. Und eine
wunderbare Freundschaft begann. Dieses schöne Ereignis prägte den
mutigen Offizier Martin, der viele Jahre später Bischof von Tours wurde. Sogar
heute - nach über 1500 Jahren - wissen wir noch davon. Und wir haben heute dem
Martin noch einmal einen Ehrenzug gegeben: Mit Fackeln und Musik. So, wie er es
manches Mal als Soldat erlebt hat, wenn er von einem wichtigen Einsatz nach
Hause kam und dann von den Menschen mit Fackeln und Lichtern empfangen wurde.
Nur: Heute haben wir nicht den Soldaten Martin ehrenvoll begleitet, sondern den
mutigen Menschen, der seinen Mantel mit dem Armen geteilt hat.
Wer weiß, vielleicht begegnet uns ja auch einmal ein Mensch, dem wir helfen
können. * Jemand, dem wir einen Mantel geben können, weil er friert,
oder * jemand, den wir trösten können, weil er traurig ist, oder *
jemand, den wir besuchen können, wenn er einsam ist, oder * jemand, dem wir Einlass geben, wenn er in größter Not
ist.
Ob wir dann auch einen Moment lang so glücklich sind, wie es der Martin damals
sein durfte?
Geschichte:
Stefan
Welzel 2003/ 2017
Der
abschließende Gedanke um den Menschen in Not, dem wir die Grenze öffnen, stammt
von Lesekind Selim Yildir (9) 2015. Red. Textänderung zu „Martin fand seine Tat
richtig gut“ von Lesekind Niklas Kruppke (10) 2017.